Theatrale Installation in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden
16. und 17.10.2020, 19 Uhr
In seiner berühmten Todesfuge schreibt Paul Celan: „Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland/ er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in Luft“. Für die deutschen Nazi-Meister waren die schönen Künste vereinbar mit der Effizienz ihres mörderischen Handwerks. Umso dringlicher fragt Celan nach den Möglichkeiten der dichterischen Sprachkunst. Ist sie eine adäquate Form der Erinnerung, abseits von Zahlen und Daten? Kann sie das Unbegreifliche nahbarer machen?
Innerhalb der Räume der ehemaligen Haft- und Hinrichtungsanstalt Münchner Platz Dresden nähern wir uns gemeinsam mit Ihnen diesen Fragen. In sechs Stationen begegnen Sie kurzen Performances, die sich der Sprache des bedeutendsten deutschsprachigen Dichters des 20. Jahrhunderts, der vor 100 Jahren in Czernowitz geboren wurde, annähern. Ziel ist dabei nicht die Entschlüsselung, sondern eine einfühlsame Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart.
Neben Celan kommt auch die in Auschwitz ermordete Ilse Weber (1903-1944) mit ihren Märchen, Gedichten und Liedern zu Wort. Während Ilse Weber mit ihren Texten Trost und Hoffnung vor allem den Kindern in Theresienstadt und Auschwitz spenden wollte, ist Celans Dichtkunst als ein Versuch zu verstehen die deutsche Sprache zu „heilen“. Heilen von den Parolen, Deformierungen und der Propaganda der Nazi-Ideologen und den ihnen skrupellos dienenden kalten Justiz-Henkern, Verwaltungs-Bürokraten und Wirtschafts-Unternehmern. In einer Performanceszene werden Verwaltungsvorschiften persönlichen Briefen gegenüber gestellt.
Das Schaf aus Lidice, das in einer Erzählung Jiří Weils (1900-1959) in Theresienstadt von der SS geschlachtet wird, und dessen Schicksal wir aufgreifen – wo weidet es heute? Seine Artgenossen grasten 1957 in Frieden vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche. Während das Zerstörte inzwischen auch in Dresden wiedererrichtet und rekonstruiert ist, laufen wir Gefahr, dass Spuren des Unheils verdeckt, verdrängt und vergessen werden und ein neuer Boden für altes Unheil entsteht. Der Missbrauch der deutschen Sprache in der Zeit von 1933 bis 1945 wird von den heutigen Nationalisten und Populisten aufgegriffen.
Die theatrale Installation beinhaltet sechs siebenminütige Performances und eine Eröffnungs- und eine Abschlussperformance. Die Zuschauer*innen wandern in kleinen Gruppen und in unterschiedlicher Reihenfolge durch die Räume und Plätze des ehemaligen Justizkomplexes am Münchner Platz in Dresden und erleben Szenen, die sich mit Erinnerungskultur auseinandersetzen. Dabei kommen dokumentarische, biografische, musikalische, tänzerische und poetische Formen des Theaters zum Ausdruck.
Die Installation wird begleitet von der Cellisti n Friederike Seeßelberg, den Mitgliedern des GewandhausKinderchores Leipzig und des Kinderchores Mosaika aus Bischofswerda
Performerinnen: Clara Baumert · Valeria Bobke · Lilith Diringer · Charlotte Liebezeit · Marie Müller · Laura Pietsch · Pauline Sägling · Olimpia Scardi · Rita Schaller · Véronique Weber-Karpinski
Cello: Friederike Seeßelberg
Chor: Mitglieder des GewandhausKinderchores Leipzig unter der Leitung von Frank-Steffen Elster, Klavier: Walter Zoller
Kinderchor: „Mosaika“ e.V. unter der Leitung von Katja Kulakova
Konzept und Regie: Olek Konrad Witt
Choreografie: Olimpia Scardi
Regie- und Choreografieassistenz: Francesca Mommo
Dramaturgie: Philipp Bode
Kostüme und Ausstattung: Cilly Zimmermann
Sounddesign: Karolin Killig
Produktionsassistenz: Mareike Suck
Technik: Sebastian König · Nils Krüger